Die Valenz als textgrammatische Kategorie
DOI:
https://doi.org/10.4312/linguistica.34.1.47-55Keywords:
Die Valenz als textgrammatische KategorieAbstract
Vor mehr als dreißig Jahren kam der französische Linguist Lucien Tesnière auf die geniale Idee, die gegenseitigen Relationen zwischen dem Verb eines Satzes einerseits und den anderen Satzteilen andererseits mit den chemischen Relationen in der Struktur eines Moleküls zu vergleichen. Die Eigenschaft des Verbs, andere Wörter an sich zu binden, nannte er Verbvalenz. Tesnière schreibt (schon 1959) wörtlich: "Man kann das Verb mit einem Atom vergleichen, an dem Häkchen angebracht sind, so daß es -je nach der Anzahl der Häkchen - eine wechselnde Zahl von Aktanten an sich ziehen und in Abhängigkeit halten kann. Die Anzahl der Häkchen, die ein Verb aufweist, und dementsprechend die Zahl der Aktanten, die es regieren kann, ergibt das, was man die Valenz des Verbs nennt" (Tesnière 1980: 161). Und weiter: "Aufgrund der strukturalen Konnexionen bestehen Dependenzbeziehungen (Abhängigkeitsbeziehungen) zwischen den Wörtem. Jede Konnexion verbindet im Prinzip einen übergeordneten mit einem untergeordneten Term" (ibid., 27). Schematisch hat Tesnière diese Relationen bekannt lich in den sogenannten Stemmata (Strukturbaumen, graphischen Darstellungen von Konnexionsstrukturen; ibid., 384) wiedergegeben. Im Satz "Mon vieil ami chante cette chanson fort jolie" ist das Verb "chante" als "régissant" allen anderen Wortkonstituenten iibergeordnet, wobei die üntergeordneten Elemente "ami" und "chanson" in einer zweiten Rangstufe wiederum den untergeordneten Elementen "mon", "vieil", "cette", "jolie" übergeordnet sind. (Vgl. Greule 1982: 99.)